EZB erhöht Leitzins – Was das für unser Geld, die Zinsen, Preise, Aktien und Immobilien bedeutet
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„Es ist kein Schritt, es ist eine Reise.“ So kommentierte am 9. Juni Christine Lagarde als amtierende EZB-Präsidentin die beschlossene Erhöhung des Leitzinses um 0,25 % auf 0,25 % für die Euro-Zone. Es ist eine Reise. Wenn Notenbanker’innen auf Pressekonferenzen ihre Entscheidungen erklären, wird es oft poetisch, umschreibend, teils banal. Denn, was sagte Lagarde als Chefin der europäischen Zentralbank auch noch?
„Erwarten wir, dass die Zinserhöhung im Juli unmittelbare Auswirkungen auf die Inflation haben wird? Die Antwort lautet: Nein.“ Das ist so, als würde eine Gärtnerin sagen: Erwarte ich, dass sich der Dünger sofort auf das Wachstum meiner Pflanzen auswirkt? Die Antwort lautet: Nein.
Geldpolitik – also das Erhöhen oder Senken der aktuellen Leitzinsen – wirkt nie sofort, sondern stets mit Verzögerungen von mehreren Monaten auf die Zinsen in einem Währungsraum.
Aber so ist das, wenn Notenbanker’innen mit dem Leitzins Politik machen. Alles nebulös, undurchsichtig und kryptisch. Geldpolitik ist keine Wissenschaft, auch wenn es so scheint. Geldpolitik ist Versuch und Wirkung. Und wieder Versuch und Wirkung. So geht das die ganze Zeit.
Die Europäische Zentralbank EZB hat sich also endlich dazu durchgerungen, angesichts einer Inflation im Mai von über 8 % ab Juli den Leitzins auf 0,25 % anzuheben. Nach 11 Jahren die erste Erhöhung. Das hat vielleicht gedauert!
Seit 2008 ging es mit dem Leitzins bis auf eine kurze Episode 2011 nur abwärts — 2015 setzten die Notenbanker den aktuellen Zinssatz auf null. Seither ist er dort verharrt. Bis Juli 2022.
Die Federal Reserve Bank, die Notenbank der USA, geht mit größeren Schritten auf die „Reise“. Die FED hob im Juni den Leitzins um 0,75 % an auf einen Korridor von 1,5 bis 1,75 %. Es war die dritte Erhöhung in diesem Jahr.
USA bei 1,75 %, Euro-Raum bei 0,25 % Leitzins zur Jahresmitte 2022.
Der Leitzins heißt im Bankersprech anders, viel komplizierter: Es ist die Hauptrefinanzierungsfazilität, oder auch der Hauptrefinanzierungssatz. Betonung liegt zum Verständnis auf „Refinanzierung“.
Wozu diese Fazilität da ist? Und damit der Leitzins?
Die Zentralbank als Bank der Banken ist Schöpferin des Geldes eines Währungsraumes – sie gibt es als Buchgeld und als geprägtes Bargeld in Form von Geldscheinen und Münzen aus. Um das Buchgeld bewerben sich die Banken, mal ganz einfach gesagt. Die Geschäftsbanken verleihen ja größtenteils nicht ihr eigenes Geld, wenn sie uns, Konzernen oder Staaten Kredite gegen Zinsen geben. Sie nutzen dafür als Grundlage das Zentralbankgeld.
Den Leitzins nutzen die Geschäftsbanken als Grundlage für ihre Zinsen – also die Bauzinsen, Tagesgeldzinsen oder auch Dispozinsen.
Ein niedriger Leitzins bewirkt sinkende Zinssätze, also das, was wir in den vergangenen Jahren zu spüren bekamen. Keine Zinsen auf Spargroschen, niedrige Zinsen für Hypotheken. Aber weiterhin hohe Zinsen auf Dispositionsredite.
Bei hohen Leitzinsen, wenn also die Banken selbst hohe Zinsen an die Zentralbank zahlen müssen, verlangen Sie freilich auch von uns höhere Zinsen. Aber nicht nur in der Höhe des Leitzinses. Die Geschäftsbanken schlagen freilich weitere Prozente drauf, je nachdem, wer ein Darlehen haben möchte und wie zuverlässig dessen Zahlungsfähigkeit ist. Die Banken lassen sich über Zinsen ja auch das Risiko vergelten, dass jemand das geliehene Geld nicht zurückzahlt. Je riskanter ein Kreditgeschäft, desto höher der Zins.
In der Eurozone ist die Notenbank die EZB, für die USA die Federal Reserve Bank FED und für den Pfundraum die Bank of England (BoE). Um nur drei der Notenbanken zu nennen, die die Leitzinsen in den wichtigsten Währungsräumen festlegen.
Aber wie erhalten die Banken das Ur-Geld von der Zentralbank, also das Zentralbankgeld?
Indem sie in der Euro-Zone bei der EZB Kredit aufnehmen, oft für zwei Wochen bis zu einigen Monaten. Zu bestimmten Terminen bietet die EZB den Banken das Geld in einer Art Auktion an. Die Banken schreiben der EZB, wie viele Milliarden sie gern haben würden und die EZB teilt das Kontingent an Zentralbankgeld den Banken zu. Die Banken müssen für dieses Geld Sicherheiten hinterlegen wie Anleihen. Ist die Leihfrist um, zahlen die Banken das Zentralbankgeld zurück, plus den Leitzins. Das geht laufend so.
Die EZB verdient also Geld daran, dass sie den Banken Zentralbankgeld zur Verfügung stellt. Die Banken wiederum legen das Zentralbankgeld ihrer Kreditvergabe zugrunde und berechnen ihrerseits Kreditzinsen für Ratenkredite, die Baufinanzierung, Überziehungs- und Unternehmenskredite.
Die EZB hat ebenfalls beschlossen, ab Juli keine Staats- und Unternehmensanleihen der Euro-Länder mehr aufzukaufen. Das ist die wichtigere Entscheidung. Die Anleihekäufe sind ein Mitgrund, warum sich ein Teil der Inflation so stark aufgebaut hat. Zwar nicht hauptsächlich in den normalen Verbraucherpreisen, dafür in den Vermögenspreisen für Aktien und Immobilien.
Diese Frage habe ich live auf Instagram beantwortet. Denn es kommt in der Wirtschaft dadurch viel in Bewegung. Die wichtigsten Folgen sollten wir kennen. Geldpolitik ist kein öffentliches Gesprächsthema. Es gibt keine Sondersendungen, keine tief gehenden Gesprächsrunden. In Frauenzeitschriften wird darüber nicht diskutiert und auch nicht beim Friseur.
Das ist bedauerlich, weil sich Geldpolitik auf unser Leben auswirkt. Auf die Bauzinsen, Hypothekenzinsen, auf Sparzinsen, Geldeinlagen auf Tagesgeldkonten, auf Ratenkredite und und und. Deshalb mein Insta-Live vom 13. Juni 2022, damit Sie Bescheid wissen:
Wie wir persönlich die steigenden Preise abfedern können, dazu habe ich diesen Blogartikel geschrieben:
Inflation – was wir gegen steigende Preise für uns tun können
Die EZB hat den aktuellen Leitzins im Juli sogar auf 0,5 % angehoben, nicht nur auf 0,25 %. Donnerwetter!
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